Damit Reben ihre Eigenschaften nicht verlieren, werden sie durch eine vegetative Vermehrung, durch Augenstecklinge, Steckhölzer und Ableger, vermehrt.
Samen
Die natürlichste Vermehrungsart, diejenige aus Samen, auch generative Vermehrungsart genannt, kommt für die Rebe nicht in Frage. Der Grund liegt darin, dass die Jungpflanzen infolge Aufspaltung nicht mehr dieselben Eigenschaften besitzen wie die Mutterpflanzen. Meistens entstehen nur minderwertige Pflänzchen, die in Wuchs, Gesundheit, Ertragskraft, Fruchtqualität, Reifezeit etc. nicht zu befriedigen vermögen. Hingegen wird die Anzucht durch Samen nach gezielter Kreuzung zweier ausgesuchter Elternteile zur Gewinnung neuer Sorten angewandt. Langjährige Ausleseverfahren, bei denen fast alle Sämlinge ausgemerzt werden müssen, da sie den gestellten Anforderungen nicht genügen, folgen der Aussaat.
Stecklinge
Bei der vegetativen Vermehrung durch Augenstecklinge, Steckhölzer und Ableger bleiben hingegen die Eigenschaften der Mutterpflanzen völlig erhalten, alle Nachkommen sind erbgleich. An jungem Rebholz bilden sich, sofern es gut ausgereift ist, in feuchtwarmen Böden leicht Wurzeln.
Augenstecklinge
Die Vermehrung durch Augenstecklinge erfordert künstliche Wärme und muss unter Glas erfolgen, im Freien missrät sie. Es war früher die am meisten verbreitete Vermehrungsart für Tafelsorten in Treibereien.
Steckhölzer
Zur Vermehrung durch Steckhölzer, welche in guten Jahren auch im Freien erfolgreich sein kann, wird Holz mit drei bis vier Augen genommen, wobei die unteren Augen eventuell geblendet, also die Augen weggeschnitten werden. Das Holz wird bis zum obersten Auge in gute lockere Erde gesteckt. Augenstecklinge und Steckhölzer wachsen am besten, wenn das Holz beim Schneiden bereits etwas im Saft ist. Nur engknotiges Holz ist zu verwenden.
Ableger
Bei der Vermehrung durch Ableger bleibt das Holz an der Mutterpflanze, bis es eigene Wurzeln geschlagen hat. Dazu wird im Frühjahr einjähriges Rebholz von der Mutterpflanze her in eine Erdgrube gelegt, welche mit guter Erde wieder aufgefüllt wird. Das Triebende schaut mit ein bis zwei Augen aus der Erde heraus. Im Herbst darauf, oder erst im zweiten, werden die Ableger sorgfältig ausgegraben und von der Mutterpflanze getrennt. Auf diese Art und Weise ergeben sich die kräftigsten Jungpflanzen überhaupt.
Nachteile
Der Nachteil der durch Augenstecklinge, Steckholz oder Ableger gewonnenen wurzelechten europäischen Reben liegt darin, dass ihre Wurzeln von der weltweit schädlichen Reblaus befallen werden können, was ein allmähliches Absterben der ganzen Pflanze zur Folge hat. Die Reblaus befällt bei den europäischen Reben nur die Wurzeln, nicht aber die oberirdischen Teile, bei den amerikanischen Reben ist es gerade umgekehrt. Deshalb ist man vor etwa hundert Jahren dazu übergegangen, die europäischen Reben zu pfropfen, zu veredeln’. So wurde es möglich, mit reblausresistentem amerikanischem Unterlagenholz die Reblausschäden zu umgehen. Weiter hat man gemerkt, dass sich mit den Unterlagen das Wachstum und die Ertragseigenschaften der Reben beeinflussen lassen, weshalb heute sogar alle Reben, seien es Europäer, Hybriden oder Amerikaner, veredelt werden, je nach dem zukünftigen Standort und dem gewünschten Wachstum auf eine der vielen den speziellen Verhältnissen angepassten Unterlagensorten.
Veredelung
Die Unterlagen sind Kreuzungsprodukte amerikanischer Rebenarten unter sich. Veredelt wird in den Monaten Februar bis April. Die Unterlage wird auf die gewünschte Länge geschnitten und die Augen werden geblendet. Nun wird ein spezieller Schnitt sowohl an der Unterlage als auch genau spiegelbildlich am Edelreis ausgeführt. Das Edelreis besteht nur aus einem kurzen Triebstück mit einem Auge. Die beiden Teile werden zur innigen Verbindung ineinander gesteckt, desinfiziert und in Kisten mit feuchtem Torfmull verpackt. Bei hoher Luftfeuchtigkeit und hoher Temperatur von zweiundzwanzig bis achtundzwanzig Grad bilden beide, Edelreis und Unterlage, ein Wundgewebe, den Kallus, der ineinander verwächst. Nach zwei bis vier Wochen ist die Verbindung der Leitungsbahnen der beiden Partner hergestellt. Die Reben beginnen auszutreiben, werden abgehärtet und kurz in gewärmtes flüssiges Parafin getaucht, um das Austrocknen zu verhindern. Im Mai werden sie im Freien aufgeschult und den Sommer über intensiv gepflegt, um bis zum Winter gesunde und gut ausgereifte einjährige Jungreben zu ergeben.